Blindshell – die 2. Generation im Test
31. Oktober 2016
Aktualisierung: 3. November 2016
Anfang des Jahres haben wir das Blindshell, ein alternatives Smartphone mit angepasster Android-Oberfläche, getestet. Nun wurde das Blindshell aktualisiert. Wir stellen die Neuerungen vor.
Autor: Umair Wiebeck
Zusammenfassung
Eine große Neuerung des Blindshell ist, dass populäre Apps wie Facebook, WhatsApp, TapTapSee und Google Chrome an die Blindshell-Oberfläche angepasst wurden. Außerdem sind eine eigene E-Mail-App, eine Radio-App und ein Mp3 Player dazu gekommen.
Abb. 1: Das Blindshell-Smartphone hat keine physische Home-Taste mehr wie die erste Generation - die Funktion übernimmt die Standby-Taste bei längerem Druck. Zu sehen ist die für Blindshell-Gesten angepasste WhatsApp-App, die gut zugänglich ist.
Während WhatsApp und TapTapSee sich kaum von der normalen Android-Version unterschieden, ist die Anmeldung in der Facebook-App beim Einloggen sehr umständlich (siehe unten). Außerdem kann man entweder nur alle Buchstaben groß- oder klein schreiben. Ein direktes Hin-und Herschalten zwischen Groß- und Kleinbuchstaben wird nicht unterstützt, so dass vor allen Dingen die Passworteingabe sehr mühsam ist. Vor allem wird nicht ausgegeben, ob man gerade einen Groß- oder Kleinbuchstaben schreibt, was die Eingabe zu einem Glücksspiel macht. Dieses Problem ist in allen für Blindshell angepassten Apps, die Eingabefelder haben, zu finden. In den Blindshell-eigenen Apps gibt es dagegen die Möglichkeit, einzelne Buchstaben groß zu schreiben.
Gerät und Bedienkonzept
Das Blindshell 2 ist etwas größer als die erste Generation und basiert weiterhin auf Android 5.1 Lollipop. USB- und Kopfhörer-Eingang sind jetzt nebeneinander am oberen Rand des Gerätes zu finden. Auf der linken Seite ist die Lautstärke-Taste und auf der rechten die Standby-Taste. Eine extra Home-Taste unterhalb des Displays gibt es nicht mehr, die Standby-Taste fungiert aber bei längerem Druck als Home-Taste. Ein kurzer Druck auf die Standby-Taste versetzt das Blindshell dagegen in den Standby-Modus. In der ersten Generation konnte durch 3 Sekunden langes Drücken der Standby-Taste eine Hilfe aufgerufen werden. Diese Funktion wurde durch eine Geste (mit einem Finger von oben nach unten streichen) ersetzt. Je nach dem, wo man sich befindet, gibt die Hilfe Tipps zur aktuellen Situation.
Auf dem Home-Bildschirm wurde der Punkt "Benutzerhandbuch" in "Bedienungsanleitung" geändert. Eine Beschreibung der Blindshell-Einstellungen, die in der ersten Generation nicht vorhanden war, ist hinzugekommen. Bezüglich der angepassten Android-Apps wird lediglich darauf hingewiesen, dass sie Blindshell-Gesten unterstützen, dass es aber Produkte von Drittanbietern sind, für deren Funktionalität nicht garantiert werden kann.
Neue Blindshell-Apps
In der ersten Blindshell-Generation gab es keine E-Mail-App. Dies wurde nun in der zweiten Generation geändert. Der Prozess des Konto-Einrichtens in der E-Mail-App ist gut zugänglich. Wenn bekannte E-Mail-Anbieter wie Gmail, GMX oder Yahoo genutzt werden, werden die Server-Informationen automatisch hinzugefügt. Man muss lediglich die E-Mail Adresse und das Kennwort eintragen.
Unter "Neue E-Mail" können Empfänger, Betreff und Text einzeln eingetragen und die Mail anschließend versendet werden.
Wird auf eine E-Mail getippt, wird sie automatisch gelesen. E-Mails lassen sich nicht löschen (zumindest fanden wir keine Option dafür).
Radio
Auch die Radio-App ist neu. Sie ist in vier Kategorien gegliedert:
- Wiedergabe Fortsetzen: Setzt die Wiedergabe des zuletzt gespielten Senders fort.
- Alle Sender: Zeigt eine Liste aller Sender an.
- Kategorie: Hier sind die Sender in Kategorien sortiert. Hier ist auch die Suche zu finden.
- Favoriten: Hier werden die gespeicherten Sender angezeigt. Wird auf einen Sender getippt, wird der Sender gleich abgespielt. Während des Abspielens kann der Sender zu Favoriten hinzugefügt werden. Durch eine kurze Berührung mit 2 Fingern wird der Sender pausiert.
Hilfsmittel Apps
Wir haben uns noch einmal die schon in der 1. Blindshell-Generation enthaltenen Hilfsmittel-Apps "Banknoten", "Farberkennung" in der 2.Generation angesehen.
Die Banknoten-App hat sich leider zu ungunsten von blinden Nutzern entwickelt. In der ersten Blindshell-Generation wurde die Erkennung durch ein Detektoren-Geräusch begleitet. Jetzt hört man nichts mehr. Auch die Ausrichtung ist sehr schwierig, somit ist die Erkennung unzuverlässig. In diesem Zustand ist die App für blinde Nutzer nicht zu gebrauchen.
Die Farberkennung hat sich seit dem letzten Ergebnis nicht verändert.
Blindshell-Einstellungen
Die Blindshell-Einstellungen wurden in 7 Kategorien neu sortiert. Die Optionen haben sich kaum geändert. Hinzugekommen ist die Sperrung des Bildschirms durch eine V-Geste, die unter der Kategorie Bildschirm zu finden ist.
Unter "Aktualisierung Blindshell" kann das Blindshell-Update angestoßen werden.
Nach dem Auswählen von "Aktualisierungen kontrollieren" wird nach Updates gesucht. Ist ein Update verfügbar, so kann man die Änderungen des Updates lesen und anschließend herunterladen. Download und Installationsprozess werden von einer anderen Sprachausgabe begleitet. Die Sprachausgabe weist unter anderem auf den längeren Neustart des Blindshell nach dem Update hin.
Praktisch: unter "Telefon Ausschalten" lässt sich das Blindshell über die Einstellungen ausschalten.
Angepasste Android-Apps
TapTapSee
Die Blindshell-Entwickler haben die App TapTapSee an ihre Oberfläche angepasst. Die App funktioniert genauso wie auf der normalen Android-Oberfläche.
Auch die angepasste WhatsApp-Version ist gut zugänglich. Kontakte lassen sich hinzufügen, WhatsApp-Nachrichten mit der Blindshell-Tastatur problemlos schreiben. Das Versenden von Sprachnachrichten hat im Test jedoch nicht funktioniert. Auch Emojis lassen sich nicht fokussieren. Ankommende Sprachnachrichten sind mit Länge, Uhrzeit und der Abkürzung "Vorm" für Vormittags und "Nachm" für Nachmittags sowie mit dem Namen gekennzeichnet. Neben diesen Informationen ist die Abspiel-Schaltfläche.
In den Einstellungen können unter "Benachrichtigungen" verschiedene Töne ausgewählt werden. War ein Kopfhörer angeschlossen, kam es hin und wieder beim Auswählen und Anhören der Töne zu Problemen mit der Sprachausgabe. Ohne Kopfhörer hat die Auswahl problemlos funktioniert. Ungünstig: Das Ein- und Ausschalten von Optionen wird von der Blindshell-Sprachausgabe erst beim Hin-und-Her-Navigieren bestätigt. Zudem springt der Fokus immer zum Anfang der Einstellungen, so dass man wieder vom Anfang navigieren muss.
Google Chrome
Die Google Chrome-Version ist überwiegend nutzbar. Allerdings ist die Navigation oft schwerfällig und die Sprachausgabe hinkt beim Lesen oft nach. Es gibt keine Gesten, um schnell zu Überschriften oder anderen Steuerelementen zu springen.
Das Einloggen in der Facebook-App ist aus mehreren Gründen sehr umständlich. Es gibt keine Option, um vom E-Mail-Feld direkt ins Passwortfeld zu springen. Daher wird nach Antippen auf OK von Facebook die Meldung ausgegeben, dass das Passwort falsch sei, obwohl nur eine E-Mail-Adresse und noch kein Passwort eingegeben wurde. Auch die Registrierung ist wegen oben genannter Probleme umständlich. Wenn man bei der Erstellung eines Facebook-Kontos den Geburtstag eingibt, muss man das Eingabefeld raten, in welches die jeweiligen Daten eingegeben werden sollen. Die einzelnen Eingabefelder für den Geburtstag haben keine zugehörige Beschriftung z.B. Tag, Monat, Jahr.
Ein weiteres großes Problem ist, dass in Facebook wie in den anderen für Blindshell adaptierten Apps nicht angesagt wird, ob ein Buchstabe gerade groß geschrieben wird oder nicht. Es gibt nur die Optionen "Alle Buchstaben groß" oder "Alle Buchstaben klein". Dies vermittelt vor allem bei der Passwort-Eingabe ein Gefühl der Unsicherheit. Zudem wird die Blindshell-Geste zum Abbrechen der aktuellen Zeicheneingabe nicht unterstützt. Auch gelöschte Buchstaben werden in diesen adaptierten Apps nicht angesagt. Das Problem ist auch in Chrome und WhatsApp zu finden.
In den Blindshell-Apps kann dagegen problemlos zwischen Feldern gewechselt und einzelne Groß- unf Klein-Schreibung aktiviert werden.
Die Facebook-Oberfläche
Schaltflächen wie Nachrichten, Benachrichtigungen, die Schaltfläche für Freundschaftsanfragen sowie die Suche sind unbeschriftet. Außerdem werden viele Stellen fokussiert, wo nichts gelesen wird. Das macht die Navigation teilweise umständlich, da man vieles nicht mitbekommt. Einer der wichtigsten Punkte ist das Benutzerprofil, welches nicht gelesen wird. Freundschaftsanfragen verschicken und annehmen funktionierte dagegen gut.
Etwas nervig waren die Fokussprünge, die besonders dann auftraten, wenn man auf eine vermeintlich leere Stelle getippt hatte. Unter der Schaltfläche "Weitere Optionen" werden unter anderem die Einstellungen angezeigt. In den Einstellungen können Meldungen über den Messenger und gesponserte Beiträge deaktiviert werden.
Fazit
Die zweite Blindshell-Generation kann sich sehen lassen. Schön wäre es, wenn die adaptierten Apps Facebook, Whatsapp und Chrome noch etwas verbessert würden. Gerade die Nutzung von Facebook ist sehr mühsam. Dennoch lassen sich die Apps weitestgehend nutzen.
Das Blindshell ist vor allem für blinde und sehbehinderte Nutzer, die vor allem telefonieren und SMS schreiben, eine erwägenswerte Alternative. Die Bedienung ist mit einer kleinen Anzahl von Gesten sehr übersichtlich gehalten und einfacher als bei einem iPhone oder Android-Smartphone. Die Verfügbarkeit von WhatsApp in der 2. Generation des Blindshell ist ein schönes Extra und erhöht gerade bei älteren Menschen die Chancen, mit den vielen anderen, die WhatsApp bereits benutzen, zu kommunizieren.
Wir haben den Hersteller Matapo s.r.o. über die Testergebnisse informiert.
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